Gewalt in der Pflege

Eine gute und positive Beziehung zwischen Pflegepersonen und Pflegebedürftigen trägt zum Wohlbefinden aller bei. In dieser Beziehung kann es aber auch zu gewalttätigen Übergriffen kommen. Gewalt in der Pflege ist bis heute vielerorts ein Tabuthema. Was jede und jeder einzelne als Gewalt empfindet hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) definiert Gewalt folgendermaßen: „Unter Gewalt gegen ältere Menschen versteht man eine einmalige oder wiederholte Handlung oder das Unterlassen einer angemessenen Reaktion im Rahmen einer Vertrauensbeziehung, wodurch einer älteren Person Schaden oder Leid zugefügt wird.“ Wenn von Gewalt gesprochen wird, ist zum einen körperliche Gewalt gemeint, es geht aber auch um andere Formen, wie psychische Gewalt oder Vernachlässigung. Um der Gewalt in der Pflege entgegenzuwirken, müssen sich die Pflege- und Betreuungspersonen mit den unterschiedlichen Formen von Gewalt auseinandersetzen und ihr eigenes Verhalten reflektieren. 

Gewalt kann durch aggressives Verhalten, respektlose Kommunikation oder durch Drohungen beginnen. Gewalt in der Pflege kann aber auch Schläge und Übergriffigkeiten bedeuten. Pflegebedürftige Menschen haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden. Pflegeeinrichtungen und ambulante Dienste tragen dafür eine besondere Verantwortung. Sie haben die Pflicht, pflegebedürftige Menschen vor Gefahren für Leib und Leben zu schützen (Garantenpflicht).

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Gewalt gegen Pflegebedürftige

Ältere pflegebedürftige Menschen sind besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren. Sie sind auf Pflegende angewiesen und können sich schlecht wehren. Insbesondere Menschen mit Demenz können hiervon schwer betroffen sein, da sie sich aufgrund der Demenz an die Vorkommnisse nicht erinnern können oder das Erlebte nicht mehr mit Worten wiedergeben können. Die Versorgung von Menschen mit Demenz ist teilweise sehr herausfordernd für die Pflegenden, aufgrund dessen kann es zu Überforderungen und Aggressionen kommen, die auch in körperliche Gewalt münden können.

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Gewalt zwischen pflegebedürftigen Menschen

In stationären Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflege-Wohngemeinschaften (Demenz-WG) kann Gewalt auch zwischen pflegebedürftigen Menschen stattfinden. Dies geschieht zum Beispiel in Form von aggressivem Verhalten und Ausgrenzung bei Konflikten bis hin zur körperlichen Gewalt, aber auch sexuelle Belästigung kann auftreten. Besonders gefährdet sind Menschen mit Demenz, insbesondere wenn sie Lauftendenzen oder besondere Verhaltensweisen zeigen. Hierdurch kann es immer wieder zu Grenzüberschreitungen kommen und somit zu Konflikten mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern. Durch die Lauftendenzen fühlen sich manche Menschen belästigt, wenn jemand immer wieder um den Tisch läuft oder einfach in fremde Zimmer eintritt. Aufgrund dessen können Konflikte entstehen.

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Gewalt gegen Pflegende

Auch pflegende Angehörige und professionell Pflegende können von Gewalt betroffen sein, zum Beispiel durch körperliche Übergriffe und Gesten oder Worte, die als respektlos empfunden werden. Besonders bei der Pflege von Menschen mit Demenz, einhergehend mit Verhaltens-Störungen, kann es zu gewalttätigen Übergriffen kommen. Wenn Sie merken, dass sie bei der Betreuung und Versorgung an Ihre Grenzen gelangen, fordern Sie Hilfe ein.

Formen von Gewalt in der Pflege

Es gibt verschiedene Formen von Gewalt in der Pflege. In der Forschung wird vor allem zwischen körperlichen, psychischen und verbalen Formen unterschieden, weitere Formen sind Vernachlässigung oder sexueller Missbrauch.

Körperliche Gewalt

Unter körperlicher Gewalt versteht man unter anderem grobes Anfassen, Schlagen, Kratzen oder Schütteln. Aber auch das unbequeme hinsetzen in den Stuhl oder Sessel sowie hinlegen ins Bett werden zu Gewalttaten gezählt. Insbesondere die unerlaubte Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen kommt häufig zum Einsatz, ohne dass die Pflegepersonen wissen, dass dies verboten ist. Um dies zu ändern muss vor allem stärker aufgeklärt werden – über die Gesetzeslage aber auch über die konkreten negativen Folgen für die Pflegebedürftigen. Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen nur dann eingesetzt werden, wenn die betroffene Person diesen schriftlich zustimmt. Bei nicht einwilligungsfähigen Personen erfolgt diese Zustimmung über ein Betreuungsgericht. Häufig handelt es sich um mechanische Zwangsanwendungen wie Bettgitter oder Gurte. Auch ein Rollstuhltablett darf nur eingesetzt werden, wenn durchgängig eine Person anwesend ist, welche dieses bei Bedarf entfernen kann. Ebenfalls ist es nicht erlaubt, Ausgänge so zu verkleiden, dass sie nicht erkannt werden (zum Beispiel Gestaltung ähnlich eines Bücherregals). Auch das abschließen der Wohnung ist nicht gestattet, wenn die betroffene Person nicht mehr selbständig aufschließen kann beziehungsweise niemand anwesend ist, der die Tür wieder aufsperren kann. 

Psychische Gewalt

Psychische Gewalt kann in unterschiedlichsten Formen auftreten. Bereits eine unangemessene Ansprache kann psychische Gewalt bedeuten. Die Kommunikation mit Menschen mit Demenz muss wie bei einem Erwachsenen ohne Demenz erfolgen. Es sollte auf gar keinen Fall mit der oder dem Betroffenen wie mit einem Kind gesprochen werden. Aber auch Anschreien, Schimpfen oder Rügen werden unter dem Begriff psychische Gewalt aufgeführt.

Eine andere Form für den Einsatz von psychischer Gewalt ist das Missachten oder Ignorieren. Dies bedeutet, dass die pflegebedürftige Person zwar „mechanisch“ versorgt wird, aber ansonsten in keiner Weise mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen wird. Häufig ist die Pflegeperson die einzige Person, die Menschen mit Demenz am Tag sehen. Wenn diese ausschließlich die „mechanische“ Pflege durchführt und den Pflegebedürftigen keine Aufmerksamkeit oder Zuwendung schenkt, fehlt dem Menschen die emotionale Zuwendung. Ein Gespräch während der Pflege schenkt jeder und jedem Pflegebedürftigen individuelle Aufmerksamkeit. 

Achtung: Wenn Nichtbeachtung als Strafe missbraucht wird, wird auch dies der psychischen Gewalt zugeordnet.

Auch Demütigungen und Beleidigungen sind eine Form der psychischen Gewalt. Durch kontinuierliche Kritik und Demütigung eines Menschen mit Demenz, weil er zum Beispiel „einfache“ Dinge nicht mehr umsetzen kann, wird das Selbstwertgefühl geschwächt. Aufgrund von Abhängigkeiten und Machtverhältnissen besteht in der Pflege immer wieder die Gefahr, dass diese Formen der psychischen Gewalt auftreten können.

Pflegekräfte in der ambulanten sowie stationären Pflege befinden sich häufig in einer Zwangslage. Sie würden gerne dem Menschen mit Demenz mehr Aufmerksamkeit schenken und Gespräche führen, können dieses aber aufgrund von Personalmangel und Arbeitsaufkommen nicht umsetzen. 

Vernachlässigung

Zur Vernachlässigung zählt unter anderem eine schlechte Pflege. Dies umfasst mangelnde Ernährung, Körper-, Pflege- und Wundhygiene bis hin zur völligen Verwahrlosung. Häufig kommt es aufgrund von Überforderung zu Vernachlässigungen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht eingestanden werden können. Zum Beispiel wird aufgrund von Traditionen oftmals vorausgesetzt, dass sich die Ehefrau oder der Ehemann, die Kinder oder Schwiegerkinder um die pflegebedürftige Person kümmern. Hierbei übernehmen insbesondere Frauen aufgrund des Rollenbildes in unserer Gesellschaft den größeren Teil der Versorgung und Pflege. Auch dann, wenn sie sich dem nicht gewachsen fühlen. Aber auch finanzielle Ausbeutung kann die Ursache sein, dass sich Pflegepersonen eine Überforderung und daraus resultierende Vernachlässigung nicht eingestehen. Wenn zum Beispiel das Pflegegeld als Einkommensquelle für den Haushalt dient, um das Lebensnotwendigste zu sichern oder den Lebensstandard zu halten.

Sexualisierte Gewalt

Von sexualisierter Gewalt in der Pflege spricht man bei einem nicht einvernehmlichen sexuellen Kontakt. Hierunter fallen zum Beispiel die Verletzung der Intimsphäre oder wenn Schamgefühle in diesem Zusammenhang entstehen und nicht berücksichtigt werden. Ebenfalls zählen sexuelle Andeutungen bis hin zum Verlangen und Erzwingen von Intimkontakten zur sexualisierten Gewalt. Häufig tritt dieser Form der Gewalt im Verborgenen auf, da Betroffene aufgrund von Scham, Angst, Tabus und Stereotypen zu diesen Vorfällen schweigen.

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Was kann ich tun, wenn ich Gewalt erfahre?

Jeder Mensch hat das Recht darauf, gewaltfrei zu leben. Gewalt schränkt Betroffene in ihrer Entfaltung und Lebensgestaltung ein. Wenn Sie das Gefühl haben, bei der pflegerischen Versorgung Gewalt zu erfahren, dann reden Sie darüber! Auch wenn Sie unsicher sind, sich schämen oder Angst haben. Hilfe und Unterstützung erhalten Sie bei der Polizei oder über das das Krisentelefon „Pflege in Not Berlin“. Für Frauen wurde ein Hilfetelefon eingerichtet.

Weitere Informationen finden Sie hier:
Hilfetelefon – Gewalt gegen Frauen
Krisentelefon – Pflege in Not Berlin
ZQP – Wo gibt es Beratung und Unterstützung zur Pflege 

Konflikte ansprechen

Sprechen Sie die Person, von der Sie sich unangemessen behandelt fühlen, zügig und offen an. Holen Sie sich hierfür bei Bedarf Unterstützung. Falls Sie nicht die Kraft haben, ein direktes Gespräch zu führen, sprechen Sie mit einer Vertrauensperson, um Lösungswege zu finden. Machen Sie deutlich, dass Sie diese Form der Gewalt nicht akzeptieren werden.

Hier finden Sie Hilfe

Bei Anwendung von Gewalt durch professionell Pflegende, sollten Sie die Leitung der Einrichtung oder des Pflegediensts informieren und Hilfe einfordern. Diese sind verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz von pflegebedürftigen Menschen zu ergreifen. In einer stationären Pflegeeinrichtung können Sie zusätzlich den Heim- oder Angehörigen-Beirat informieren. Des Weiteren können Sie auch die Heimaufsicht, den Medizinischen Dienst sowie den Prüfdienst des Verbands der Privaten Krankenversicherung mit einbeziehen. Diese müssen bei akuter Gefahr sofort auf Beschwerden reagieren und die Einrichtung prüfen. Beim Bürgeramt können Sie sich informieren, ob es an Ihrem Wohnort auch kommunale Beschwerdestellen gibt.

Hilfe durch die Polizei

Zögern Sie nicht, bei körperlichen Verletzungen, Bedrohungen, Erpressungen oder massiver Vernachlässigung sich an die Polizei zu wenden. Niemand hat das Recht Ihnen Gewalt zuzufügen. Weitere Informationen finden Sie hier. Die Polizei erreichen Sie rund um die Uhr über die Notrufnummer 110 und den Rettungsdienst über die 112. Menschen mit Sprech- und Hörbehinderungen können Notrufe alternativ textbasiert über ihr Mobilgerät mit Hilfe der nora App absenden.

Was ist zu tun bei Gewalt gegenüber anderen?

Die Erfahrung von Gewalt an Körper oder Geist können erhebliche körperliche und psychische Folgen für die Betroffenen haben. Oftmals können Menschen mit Demenz sich nicht selber zur Wehr setzen, wenn sie Gewalt erfahren. Umso wichtiger ist es, dass Personen aus ihrem Umfeld Auffälligkeiten bemerken und reagieren. Falls Sie unangemessenes oder beleidigendes Verhalten gegenüber einer pflegebedürftigen Person feststellen oder vermuten, helfen Sie!

Gespräche führen

Sie haben beobachtet oder vermuten, dass ein Mensch mit Demenz Gewalt erfährt? Dann sprechen Sie dies mit der betroffenen Person direkt in einem vertraulichen Gespräch an und erzählen Sie von Ihren Beobachtungen. Beschreiben Sie, wie die Situation auf Sie gewirkt hat. Falls sich die Person nicht äußern kann, sollten Sie die Angehörigen, den rechtlichen Betreuer oder die rechtliche Betreuerin informieren. Notieren Sie sich, was Sie wann und wo bemerkt haben. 
Beim Gespräch mit der Person, die Gewalt erfahren hat, hören Sie gut zu und zeigen Sie Verständnis. Sorgen Sie dafür, dass die Person Trost und Unterstützung erhält. Falls die Gewalt von einer anderen pflegebedürftigen Person ausging, ist es manchmal auch wichtig, um Verständnis für das Verhalten der anderen Person zu bitten, wenn es zur Gewalt aufgrund der Demenz kam. Aber auch dann gilt: Niemand muss Gewalt hinnehmen. 

Hier finden Sie Hilfe

Wenn die Gewalt von Seiten einer professionellen Pflegeperson erfolgte, berichten Sie einer Vertrauensperson des Pflegedienstes oder des Pflegeheimes von Ihren Beobachtungen. Zusätzlich sollten Sie sich an die Pflegedienstleitung oder Einrichtungsleitung wenden. Bei Vorkommnissen in Pflegeheimen kann auch der Heim- oder Angehörigen-Beirat einbezogen werden sowie die Heimaufsicht, der Medizinische Dienst und der Prüfdienst des Verbands der privaten Krankenversicherung. Diese müssen bei akuter Gefahr sofort auf Beschwerden reagieren und die Einrichtung prüfen.

Hilfe durch die Polizei

Zögern Sie nicht, sich an die Polizei zu wenden, wenn eine andere Person körperlich verletzt wurde. Das gilt auch, wenn sie zum Beispiel bedroht, erpresst oder massiv vernachlässigt wird. Die Polizei erreichen Sie rund um die Uhr über die Notrufnummer 110 und den Rettungsdienst über die 112. Menschen mit Sprech- und Hörbehinderungen können Notrufe alternativ textbasiert über ihr Mobilgerät mit Hilfe der nora App absenden.