Entscheidungen am Lebensende

Wohlbefinden erhalten

Eine Demenz ist nicht heilbar und schreitet kontinuierlich voran. In der Phase der fortgeschrittenen Demenz und am Lebensende sind Menschen mit Demenz in fast allen Lebensbereichen vollständig auf die Unterstützung und Fürsorge anderer angewiesen. Trotz der Einschränkungen kann viel für das Wohlbefinden der Menschen mit Demenz getan werden und sie können sich weiterhin häufig auf ihre eigene Weise mitteilen. Körperliche, soziale, emotionale oder auch spirituelle Bedingungen tragen zum Wohlbefinden eines Menschen mit Demenz bei. Jeder Mensch hat eine Fülle von Bedürfnissen mit für ihn typischen Vorlieben, Wünschen und Gewohnheiten. Einen Menschen mit fortgeschrittener Demenz als individuelle Personen zu sehen und ihr mit Wertschätzung zu begegnen ist dabei zentral.

Biografie
Angehörige kennen meistens die Lebensgeschichte (Biografie) der betroffenen Person und können mit diesem Hintergrund viele Verhaltensweisen, Vorlieben und Wünsche gut einordnen. Die Mitarbeitenden von Pflegeeinrichtungen sind oft auf diese Informationen durch die Angehörigen angewiesen. Es ist gewinnbringend für alle Seiten, sich über die Biografie gezielt auszutauschen, um den Menschen mit Demenz zu verstehen, das Verhalten einzuordnen und in seinem Sinne zu handeln. Ein fortlaufender Austausch trägt dazu bei, Veränderungen zu verstehen und die Versorgung und Betreuung an der oder dem Betroffenen auszurichten.

Kontinuität
Kontinuität in Form von vertrauten Menschen, vertrauter Umgebung und Abläufen ist für Menschen mit fortgeschrittener Demenz wichtig. Bei einer neuen Mitarbeiterin des Pflegedienstes beispielsweise kann der Mensch mit Demenz unter Umständen erst einmal ein ablehnendes Verhalten zeigen und die Pflege nur eingeschränkt zulassen. Eine neue Umgebung, wie zum Beispiel ein Krankenhaus oder ein neuer Tagesablauf kann ebenfalls Unruhe auslösen.

Körperliches Wohlbefinden
Wichtig für das Wohlbefinden ist es, körperliche Belastungen wie zum Beispiel Schmerzen, Luftnot oder Verstopfung rasch zu erkennen und zu behandeln. Eine sorgfältige Körperpflege trägt zum Wohlbefinden bei, manche Menschen genießen bestimmte Aspekte der Körperpflege. So kann die Hautpflege zum Beispiel mit einer Handmassage verbunden werden. Zusätzlich kann eine gute Körperpflege schmerzhafte Infektionen der Haut oder im Mundraum verhindern. Das Bewegungsbedürfnis kann sehr unterschiedlich ausfallen. Oft haben Menschen mit fortgeschrittener Demenz ein erhöhtes Ruhebedürfnis und sind nach Bewegung oder anderen Aktivitäten rasch erschöpft.

Emotionales und soziales Wohlbefinden
Emotionale und soziale Aspekte tragen stark zum Wohlbefinden bei. Für Menschen mit Demenz ist es wichtig, angesprochen und wahrgenommen zu werden. Dies kann über die direkte Ansprache mit einfachen, sich wiederholenden Worten geschehen oder über Berührungen, Gestik und Blickkontakt. Meist reagieren sie sehr positiv auf den Kontakt zu anderen Personen. Manche genießen es, unter Menschen zu sein und das Alltagsgeschehen zu erleben. Umgebungsgeräusche und Gerüche können sich positiv auswirken, sehr zurückgezogene oder in sich gekehrte Menschen können dadurch sehr aktiv und aufmerksam wirken. Andere wiederum sind von einer Geräuschkulisse rasch überfordert. Sie benötigen schon nach kurzer Zeit wieder eine Ruhephase und fühlen sich in einer ruhigeren Umgebung wohler.

Spirituelle Aspekte
Waren religiöse oder spirituelle Rituale früher wichtig für einen Menschen mit Demenz, können sie eventuell auch in der Phase der schweren Erkrankung positive Emotionen auslösen und möglicherweise eine beruhigende Wirkung haben. Eventuell zeigt der betroffene Mensch aber auch kein Interesse mehr daran.

Eingeschränkte Kommunikation
Herauszufinden was ein Mensch mit fortgeschrittener Demenz möchte, ist sehr schwierig aber wesentlich für eine gelingende Versorgung. Sie können sich meist nicht mehr über Sprache mitteilen, verwenden nur noch einzelne Worte oder Redewendungen. Auch Gesprächen können sie nicht mehr folgen. Sie sind jedoch weiter sehr empfänglich für unterschiedliche Arten von Mitteilungen.
Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind meist in der Lage, die gesprochenen Inhalte wahrzunehmen und reagieren eher auf Tonfall, Stimme, Mimik und Gestik. Sie können sich auf ganz unterschiedliche Weise mittteilen. Dies kann über „ja“/“nein“ Antworten, Laute, wie Rufe, Schreie oder einzelne Geräusche geschehen. Oder aber die Betroffenen scheinen zu murmeln, seufzen oder stöhnen und können damit sowie über den Tonfall gut die eigene Stimmung ausdrücken. Nahestehende oder mit dem Menschen vertraute Pflegepersonen können oft an Gesichtsausdruck, Mimik und Gestik ablesen, wie die oder der Betroffene gestimmt ist oder die Situation empfindet. Auch die Atmung und die Körperspannung sowie Haltung, wie beispielsweise verkrampfte oder geballte Hände, können wichtige Hinweise zum Wohlbefinden geben. So können eine beschleunigte Atmung und angespannte Körperhaltung auf Unwohlsein hindeuten. Die genaue Beobachtung des Menschen mit fortgeschrittener Demenz ist notwendig, um die feinen Hinweise wahrzunehmen, richtig einzuordnen und entsprechend zu handeln.
Nähere Informationen finden Sie hier: Kommunikation

Therapiemöglichkeiten

Im Krankheitsverlauf können eine Reihe von Entscheidungen zur gesundheitlichen Versorgung aufkommen. Die Versorgung von Menschen mit fortgeschrittener Demenz verläuft nicht immer optimal und es können körperliche und emotionale Belastungen entstehen. Es kommt vor, dass Beschwerden wie Schmerzen oder Luftnot nicht erkannt oder nicht ausreichend behandelt werden. Wenn An- und Zugehörige sowie das Fachpersonal eine klare Vorstellung vom zu erwartenden Krankheitsverlauf haben, geschehen in der Regel nur selten belastende Behandlungen am Lebensende. Pflegende Angehörige sollten von Anfang an Informationen über den zu erwartenden Verlauf erhalten. Insbesondere am Lebensende ist eine sensible Gesprächsführung von den betreuenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur umfassenden Aufklärung und Beratung besonders wichtig. 
In vorausschauender Betrachtung können mögliche Situationen mit dem Menschen mit fortgeschrittener Demenz und den Nahestehenden frühzeitig besprochen werden. Grundlage für die Entscheidungsfindung ist immer der Wille der Patientin oder des Patienten, beziehungsweise der mutmaßliche Wille, wenn sich die Person nicht mehr äußern kann. Es ist vorteilhaft, bereits im frühen Krankheitsverlauf Fragen zur Behandlung bei gesundheitlicher Verschlechterung zwischen allen Beteiligten zu besprechen. Die betroffene Person kann sich dann noch selbst zu den Wünschen und Erwartungen äußern. Angehörige und behandelnde Ärztinnen und Ärzte können die Beweggründe für eine Entscheidung und zu Grunde liegende Werte besser verstehen lernen und dies auch auf spätere unvorhergesehene Situationen übertragen. Dabei können von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt und gemeinsam der Behandlungswunsch für einzelne Situationen vorab festlegt werden. Dies kann in einer Patientenverfügung schriftlich festgehalten werden.
Näheres erfahren Sie hier: Vollmacht und Testament
Es kann sein, dass der Zeitpunkt der Vorausplanung ungenutzt vergeht oder der betroffene Mensch sich damit nicht auseinandersetzen möchte. Dann kommen die Entscheidungen in späteren Phasen der Erkrankung meist auf die An- und Zugehörigen oder andere rechtliche Vertreterinnen und Vertreter zu, was für sie sehr belastend sein kann. Auch bei vorliegender Patientenverfügung kann es vorkommen, dass die oder der Erkrankte in der aktuellen Situation mit seinen Verhaltensweisen dem vorausverfügten Willen widerspricht. Hier müssen alle Beteiligten die Entscheidung gut abwägen, dafür können auch Fallbesprechungen einberufen werden. Voraussetzung für eine Behandlung ist immer, dass es einen medizinischen oder pflegerischen Grund gibt.

Nahrungsaufnahme

Bei einer fortgeschrittenen Demenz kommt es meist zu einer geringen Nahrungsaufnahme. Die Gründe hierfür können vielfältig sein und sollten bestmöglich herausgefunden werden.

Ursachen
Meist können Menschen mit Demenz nicht mehr selbstständig essen und trinken. Sie brauchen beispielsweise Unterstützung, um einen Löffel oder ein Glas zum Mund zu führen. Teilweise müssen ihnen Essen und Getränke komplett angereicht werden.
Menschen mit Demenz kauen häufig nicht mehr so gut und entwickeln oft Schluckstörungen, wodurch sie sich häufig verschlucken. Dies kann die Betroffenen sehr ängstigen, so dass sie das Essen ablehnen. Manchmal kann Abhilfe geschaffen werden, in dem Getränke mit speziellen Zusätzen angedickt werden. Es kann eine weichere Kost gewählt oder das Essen püriert werden, damit der Geschmack erhalten bleibt. Oft werden Speisen mit süßem Geschmack von Menschen mit fortgeschrittener Demenz bevorzugt.
Nähere Informationen finden Sie hier: Ernährung
Manchmal öffnen Menschen mit Demenz nicht mehr den Mund, wenn ihnen Essen angereicht wird. In dem Fall ist es wichtig zu klären, ob eventuell Schmerzen die Ursache sind. Druckstellen von Zahnprothesen, beschädigte Zähne oder Entzündungen können zu Schmerzen in Mund und Rachen führen. Hier kann eine zahnärztliche Behandlung helfen, bei einer Entzündung oder Pilzinfektion können Medikamente eingesetzt werden. Eine gute Zahn- und Mundpflege wirkt vorbeugend. Wird diese behutsam durchgeführt und vielleicht zuvor beliebte Pflegeprodukte verwendet, lassen die Betroffenen die Zahnpflege meist gut zu. Es sollte beachtet werden, dass bestimmte Medikamente die Mundschleimhaut austrocknen und Entzündungen begünstigen können. Einige Medikamente wirken sich auf den Appetit aus oder führen zu Übelkeit oder Verstopfung. In Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt können hier gegebenenfalls Veränderungen vorgenommen werden.

Grenzen der Nahrungsaufnahme
Auch wenn alle Ursachen ausgeschlossen und die Gerichte sowie Getränke angepasst wurden, nehmen Menschen mit fortgeschrittener Demenz häufig nicht genug Nahrung zu sich. Nicht mehr zu essen kann auch als Willensäußerung des Erkrankten gesehen werden, die respektiert werden sollte. Ob eine PEG-Magensonde (Perkutane endoskopische Gastrostomie) medizinisch sinnvoll ist oder andere Behandlungsmethoden besser greifen, muss von Fall zu Fall entschieden werden.
Weitere Informationen zur Magensonde finden Sie hier: Demenz und künstliche Ernährung
Die Entscheidung für oder gegen eine Sonde zur Ernährung kann von heftigen Emotionen und Zweifeln begleitet sein. Eventuell sind sich nicht alle Beteiligten einig. Der mutmaßliche Wille der oder des Betroffen ist ausschlaggebend für die Entscheidungsfindung. Falls der Wille vorab nicht festgehalten wurde, werden zur Entscheidungsfindung Vertrauenspersonen und weitere Berufsgruppen mit einbezogen.
Das Ausbleiben von essen und trinken am Lebensende kann unterschiedliche Auswirkungen auf den Körper haben. Die Menschen entwickeln weniger Sekret in ihren Atemwegen, wodurch sie weniger Anstrengungen zum Abhusten aufbringen müssen. Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen im Bauch können abnehmen. In den Armen, Beinen und Füßen wird weniger Wasser eingelagert, was zu einem Spannungsgefühl in der Haut führen kann.
Nimmt der Mensch mit Demenz keine Nahrung mehr zu sich, nimmt die Mundhygiene enorm an Wichtigkeit zu. Eine gute Mundpflege zum Feuchthalten des Mundes ist relevant, um Schmerzen durch eine ausgetrocknete Mundschleimhaut oder Infektionen zu vermeiden. Dazu können die verschiedensten Getränke verwendet und zum Beispiel mit einem großen Watteträger in den Mund eingebracht werden. Einige mögen den Geschmack von Butter oder eine Butter-Honigmischung, womit der Mund ausgestrichen werden kann und eine Art Schutzfilm bildet.

Krankenhausbehandlung

Verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand eines Menschen mit fortgeschrittener Demenz, wird oft aus verschiedenen Gründen eine Krankenhauseinweisung in Betracht gezogen. Dies kann aus Unsicherheit geschehen oder in der Absicht eine akute Gesundheitsgefahr abzuwenden. Wird in einer akuten Situation der ärztliche Notdienst oder Rettungsdienst gerufen, kennen die Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter die Person mit Demenz nicht. Bei der Entscheidung für eine Krankenhauseinweisung sollten die Vor- und Nachteile für den erkrankten Menschen sorgfältig abgewogen werden.
Wenn möglich ist eine Entscheidung im Voraus festzulegen, in welchen Fällen eine Krankenhauseinweisung erwogen wird oder ob anderweitig vorgegangen werden soll. Auch das Vorgehen für eine Wiederbelebung sollte frühzeitig besprochen werden. Statt einer Aufnahme in ein Krankenhaus kann auch die Betreuung zu Hause oder im Pflegeheim intensiviert werden. Viele Hausärztinnen und Hausärzte sowie manche Fachärztinnen und Fachärzte bieten vermehrte Hausbesuche an. Zusätzlich kann ein ambulanter Pflegedienst verstärkt einbezogen werden. Wenn noch nicht geschehen, können zu diesem Zeitpunkt spezialisierte ambulante Palliativdienste oder Hospizdienste für die Begleitung zu Hause oder im Pflegeheim hinzugezogen werden.
Nähere Informationen finden Sie hier: Palliativ- und Hospizversorgung

Belastungen im Krankenhaus
Ein Krankenhausaufenthalt stellt für Menschen mit fortgeschrittener Demenz eine große Belastung dar. Sie verlassen ihre vertraute und Sicherheit gebende Umgebung. Sie kommen mit vielen unbekannten Menschen in Kontakt, die ihre Gewohnheiten nicht kennen und nicht in bekannter Weise auf sie eingehen können. Besonders die Geräuschkulisse und Aktivität einer Intensivstation kann für diese Menschen sehr überfordernd sein. Es kann zu belastenden, angsteinflößenden Untersuchungen kommen, die eventuell nicht zielführend sind. Wenn die Betroffenen die unangenehme Situation im Krankenhaus verlassen wollen, werden ihnen unter Umständen Beruhigungsmittel verabreicht. Diese können zu unerwarteten Reaktionen führen und den Zustand weiter verschlechtern. Eventuell kommt es sogar zu einer Verlegung in die Psychiatrie. Verschlechtert sich dort der körperliche Gesundheitszustand kommt es möglicherweise zu einer Rückverlegung. Solch ein Wechsel ist für einen Menschen mit Demenz äußerst belastend und führt häufig zu einer Verschlechterung sowie weiterem Verlust der verbliebenen Fähigkeiten.
Nutzen und Risiken für eine Krankenhauseinweisung sollten mit allen Beteiligten sorgsam abgewogen werden und Befürchtungen sowie Hoffnungen dabei zur Sprache kommen. Ausschlaggebend ist der Wille des betroffenen Menschen. Dabei sollte auch angesprochen werden, ob die Situation darauf hinweist, dass sich das Lebensende nähert. Wird das mögliche Lebensende in Betracht gezogen, können sich mancher Nutzen oder mögliche Risiken für den erkrankten Menschen anders darstellen.