Betreuungsrecht - Zwangsbehandlung

Grundsätzlich kann eine ärztliche Behandlung nur durchgeführt werden, wenn Patientinnen und Patienten in diese wirksam einwilligen. Jeder Mensch hat auch das Recht, eine medizinische Behandlung zu verweigern – selbst dann, wenn sie lebensrettend für ihn ist. In Ausnahmefällen sind jedoch auch Behandlungen gegen den Willen von Patientinnen und Patienten zulässig.

Was ist eine Zwangsbehandlung?

Wenn eine Behandlung gegen den Willen beziehungsweise ohne die Einwilligung der betroffenen Patientin beziehungsweise des betroffenen Patienten durchgeführt wird, spricht man von einer "Zwangsbehandlung". Da damit in weitreichendem Umfang in das Recht auf Selbstbestimmung eingegriffen wird, müssen die gesetzlichen Voraussetzungen genau festgelegt und auf wenige Ausnahmen begrenzt sein.

Voraussetzung für eine Zwangsbehandlung

Grundsätzlich darf eine ärztliche Behandlung nur mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Patientin oder der Patient einwilligungsfähig ist. Sie oder er ist also in der Lage, den Sinn und das Ziel der Behandlung zu verstehen, die damit verbundenen Vor- und Nachteile abzuwägen und dann eine eigene Entscheidung zu treffen.

Wer einwilligungsfähig ist, verfügt über einen freien Willen. Es darf niemand gegen den eigenen, freien Willen behandelt werden. Wer krankheitsbedingt keine Zusammenhänge und Erklärungen versteht, kann sich nur noch durch den natürlichen Willen äußern, zum Beispiel durch abwehrende Handbewegungen. Gegen den natürlichen Willen darf aber nur unter bestimmten Umständen behandelt werden.

Um eine Zwangsbehandlung durchführen zu können, muss die Betreuerin oder der Betreuer vorab die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen. Dieses muss die Betroffene oder den Betroffenen persönlich anhören, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Für Betroffene ist außerdem eine Verfahrenspflegerin oder ein Verfahrenspfleger zu bestellen (§ 1906a BGB).

Für die Festlegung des Betreuungsgerichts über eine Zwangsbehandlung ist es erforderlich, dass

  • die oder der Betroffene krankheitsbedingt – zum Beispiel aufgrund einer Demenzform – die Situation nicht mehr erfassen oder sich nicht entsprechend verhalten kann und die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahmen nicht erkennen kann
  • der oder dem Betroffenen durch Nichtbehandlung ein erheblicher gesundheitlicher Schaden oder Lebensgefahr droht und die ärztliche Maßnahme zum Wohle der Patientin oder des Patienten erforderlich ist
  • es der mutmaßliche Wille der oder des Betroffenen ist (zum Beispiel laut der Patientenverfügung)
  • der durch die Behandlung zu erwartende Nutzen die Beeinträchtigungen überwiegt
  • der Versuch, die Betroffene oder den Betroffenen in einem ruhigen Gespräch von der Notwendigkeit der Behandlung zu überzeugen, nicht zum Ziel geführt hat.

Fallbeispiel

Herr Kubat leidet an einer Nierenerkrankung, die künftig eine regelmäßige Dialyse erforderlich macht. Er hat wegen einer Demenz bereits einen rechtlichen Betreuer, zu dessen Aufgaben auch die Gesundheitssorge zählt. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen Erkrankung und Dialyse versteht Herr Kubat im Einzelnen nicht mehr. Er lehnt eine derartige Behandlung ab. Es fragt sich, ob die lebenswichtige Dialyse dennoch durchgeführt werden darf.

Eine Patientenverfügung nach § 1901a BGB liegt nicht vor. Hätte Herr Kubat noch vor seiner Demenz seinen Willen zur medizinischen Behandlung festgelegt, wäre dieser für den rechtlichen Betreuer vorrangig zu beachten gewesen.
Grundsätzlich ist der Wille von Herrn Kubat trotz seiner Demenz zu berücksichtigen. Allein das Vorliegen einer Demenz bedeutet nicht automatisch, dass er unfähig ist, in ärztliche Behandlungen einzuwilligen.

Die Voraussetzungen sind bei Herrn Kubat gegeben, die Möglichkeiten einer rein medikamentösen Behandlung sind erschöpft. Wenn die Dialyse nicht zeitnah beginnt, ist mit einem Nierenversagen zu rechnen. Eine Behandlung dagegen hilft Herrn Kubat, noch viele Jahre mit seiner Nierenerkrankung zu leben.