Betreuungsrecht - Ärztliche Zwangsmaßnahmen

Grundsätzlich können eine ärztliche Untersuchung und Behandlung nur durchgeführt werden, wenn Patientinnen und Patienten dieser zustimmen. Jeder Mensch hat das Recht, eine medizinische Behandlung zu verweigern – selbst dann, wenn sie lebensrettend für ihn ist. In Ausnahmefällen sind jedoch auch Behandlungen gegen den Willen von Patientinnen und Patienten zulässig.

Was ist eine ärztliche Zwangsmaßnahme?

Stand: 30.09.2025
Wenn eine Behandlung gegen den Willen beziehungsweise ohne die Einwilligung der betroffenen Person durchgeführt wird, spricht man von einer "ärztlichen Zwangsmaßnahme". Weil damit in erheblichem Umfang in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf Selbstbestimmung eingegriffen wird, wurden die gesetzlichen Voraussetzungen genau festgelegt und auf wenige Ausnahmen begrenzt (siehe § 1829 und § 1832 Betreuungsrecht).

Dies betrifft unter anderem Personen, die mit einer hirnorganischen Krankheit leben – also auch Menschen mit Demenz, insbesondere im fortgeschrittenen Stadium.

Voraussetzungen für eine ärztliche Zwangsmaßnahme

Stand: 30.09.2025
Grundsätzlich darf eine ärztliche Behandlung nur mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten durchgeführt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Person einwilligungsfähig ist. Sie oder er muss also in der Lage sein, den Sinn und das Ziel der Behandlung zu verstehen. Auch die damit verbundenen Vor- und Nachteile muss die Person abwägen und dann eine eigene Entscheidung treffen können.

Es darf also niemand gegen den eigenen freien Willen behandelt werden. 

Wer krankheitsbedingt keine Zusammenhänge und Erklärungen versteht, kann sich nur noch durch den natürlichen Willen äußern, zum Beispiel durch abwehrende Handbewegungen. Gegen den natürlichen Willen darf aber nur unter bestimmten Umständen behandelt werden.

Um eine ärztliche Zwangsmaßnahme durchführen zu können, muss die Betreuerin oder der Betreuer vorab die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen (§1832 Absatz 2 BGB - Betreuungsrecht). Dieses muss die Betroffene oder den Betroffenen persönlich anhören, bevor eine Entscheidung getroffen wird. 

Bei der Entscheidung des Betreuungsgerichts über eine ärztliche Zwangsmaßnahme werden die Voraussetzungen aus § 1832 Absatz 1 BGB überprüft.

Fallbeispiel

Stand: 30.09.2025
Herr Kubat leidet an einer Nierenerkrankung, die künftig eine regelmäßige Dialyse-Behandlung erfordern wird. Er hat wegen einer Demenz bereits einen rechtlichen Betreuer, zu dessen Aufgaben auch die Gesundheitssorge zählt. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen Erkrankung und Dialyse versteht Herr Kubat im Einzelnen nicht mehr. Er lehnt eine derartige Behandlung ab. Die Frage ist nun, ob die lebenswichtige Dialyse dennoch durchgeführt werden darf.

Eine Patientenverfügung nach § 1827 BGB - Betreuungsrecht liegt nicht vor. Hätte Herr Kubat noch vor seiner Demenz seinen Willen zur medizinischen Behandlung schriftlich festgelegt, so wäre dieser vom rechtlichen Betreuer oder der rechtlichen Betreuerin vorrangig zu beachten und umzusetzen gewesen.

Grundsätzlich ist der Wille von Herrn Kubat trotz seiner Demenz zu berücksichtigen. Allein das Vorliegen einer Demenz bedeutet nicht automatisch, dass er unfähig ist, in ärztliche Behandlungen einzuwilligen oder diese abzulehnen.

Die Möglichkeiten einer rein medikamentösen Behandlung sind erschöpft. Wenn die Dialyse nicht zeitnah beginnt, ist mit einem Nierenversagen zu rechnen. Eine Behandlung würde Herrn Kubat helfen, noch viele Jahre mit seiner Nierenerkrankung zu leben. Der Betreuer ist zunächst verpflichtet, zeitnah in einem Gespräch den Willen von Herrn Kubat zu ermitteln. Dazu sollen auch nahe Angehörige oder andere Vertrauenspersonen von ihm hinzugezogen werden (§1828 BGB – Betreuungsrecht).

Sowohl eine Behandlung gegen den Willen der betroffenen Person (ärztliche Zwangsmaßnahme) als auch das Unterlassen einer Behandlung mit schwerwiegenden Folgen für Herrn Kubat bedürfen der Prüfung und Genehmigung durch das Betreuungsgericht (§1829 BGB – Betreuungsrecht).