Birgit Spengemann

Begutachtung durch den Medizinischen Dienst

Wer einen Antrag auf Anerkennung der Pflegebedürftigkeit bei der Pflegekasse stellt, erhält Besuch vom Medizinischen Dienst. Dieser wird im Auftrag der Pflegekasse tätig und ermittelt in der Regel in der häuslichen Umgebung den Grad der Pflegebedürftigkeit des Menschen mit Demenz. Die Gutachterin oder der Gutachter melden sich schriftlich bei den Betroffenen zum Hausbesuch an. Die Begutachtung soll, soweit keine Dringlichkeit vorliegt, innerhalb von 20 Tagen nach Antragstellung erfolgen (§18a SGB XI). 

Mit der Pflegereform 2017 wurden nicht nur die Pflegestufen durch Pflegegrade ersetzt, auch der Begriff der Pflegebedürftigkeit wurde neu definiert. Es wird nun die (verbliebene) Selbständigkeit in verschiedenen Lebensbereichen ermittelt und dann durch ein Punktesystem der Grad der Pflegebedürftigkeit errechnet. 

Dieses neue Verfahren hat insbesondere Vorteile für Menschen mit einer Demenz, weil jetzt „Kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und die „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ in die Bewertung aufgenommen wurden und nicht mehr nur die körperlichen Beeinträchtigungen betrachtet werden.

Dieses PDF-Dokument des Medizinischen Dienstes erklärt die Voraussetzungen für die einzelnen Pflegegrade und die Lebensbereiche, die geprüft werden:

https://www.medizinischerdienst.de/fileadmin/MD-zentraler-Ordner/Downloads/01_Pflegebegutachtung/250203_DEU_01_BF.pdf 

Der Gutachter oder die Gutachterin ist bei der Begutachtung von Menschen mit Demenz laut der Richtlinien zur Pflegebegutachtung verpflichtet, nach einem persönlichen Gespräch mit der betroffenen Person, auch die Pflegeperson beziehungsweise die Angehörigen anzuhören. Daher ist es wichtig, dass bei der Begutachtung die Pflegeperson oder Angehörige dabei sind. Von Bedeutung ist nach wie vor, dass bereits eine Diagnostik der Demenz stattgefunden hat. 

Dieses PDF-Dokument des Medizinischen Dienstes gibt einen Überblick über die vollständigen Richtlinien:

https://md-bund.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/Begutachtungsgrundlagen/BRi_Pflege_21_08_2024_BF.pdf 

Eine gute Vorbereitung auf den Besuch des Medizinischen Dienstes ist besonders bei der Begutachtung von Menschen mit Demenz wichtig, weil der tatsächliche Hilfebedarf im Alltag oft nicht als solcher wahrgenommen oder erkannt wird. Daher passiert es häufig, dass notwendige Hilfestellungen nicht angesprochen werden und so das Gesamtbild verfälscht wird.

Hier einige Beispiele für pflegerische Unterstützung, die besonders bei Menschen mit Demenz häufig eine Rolle spielen und bei der Begutachtung doch leicht vergessen werden:

  • Neben der mundgerechten Zubereitung und Bereitstellung von Speisen und Getränken ist auch eine Anleitung, Aufforderung und Hilfestellung bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, insbesondere bei Antriebslosigkeit oder Appetitlosigkeit, notwendig
  • Zunehmender Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf bei fortschreitender Demenz, um Gefahrensituationen zu vermeiden
  • Beruhigen und Zurückbringen ins Bett bei gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus
  • Häufigere Körperpflege und Umkleiden aufgrund von Kleckern bei der Nahrungsaufnahme, Inkontinenz oder Schwitzen
  • Begleitung der pflegebedürftigen Person auch innerhalb der Wohnung (zum Beispiel ins Bad/auf die Toilette und zurück), weil die Orientierung fehlt
  • Erschwerte Pflege durch Abwehrverhalten des Menschen mit Demenz
  • Organisation von Arztterminen oder Besuchen von Freunden, Betreuungsdiensten oder Tagespflege

Es empfiehlt sich, möglichst bald nach Beantragung eines Pflegegrades, auf den regelmäßigen pflegerischen Tagesablauf zu achten und sich Notizen dazu zu machen, die dann während der Begutachtung eingebracht werden können.

Nach der Begutachtung wird das Protokoll darüber vom Medizinischen Dienst an die Pflegekasse gesendet. Der Bescheid mit dem Ergebnis der Begutachtung wird dann von der Pflegekasse erstellt und der Antragstellerin oder dem Antragsteller per Post zugesandt. In der Regel liegt das schriftliche Gutachten dem Bescheid bei. Wenn das Gutachten nicht mitgeschickt wird, kann es von der Pflegekasse angefordert werden, weil der oder die Versicherte ein Recht auf Akteneinsicht hat.

Wer nicht mit dem Ergebnis der Begutachtung einverstanden ist, kann innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt des Pflegebescheides einen Widerspruch einlegen. Da der Widerspruch begründet werden muss, ist die Vorlage des Gutachtens wichtig. Anhand der Angaben im Gutachten kann man feststellen, ob Informationen eventuell nicht richtig eingeordnet wurden oder bestimmte Fragen nicht gestellt wurden und somit wichtige Punkte nicht angerechnet wurden. Vor der Formulierung einer Widerspruchsbegründung empfiehlt sich eine Beratung durch einen Pflegestützpunkt. Dort können Begrifflichkeiten und die Errechnung des Pflegegrades geklärt werden.

Sind nun Fragen zu den Pflegegraden und den jeweiligen Leistungen aufgekommen? Im kostenfreien Forum „Gesetzliche Leistungen“ des Wegweiser Demenz können Sie anonym Ihre Frage stellen und zeitnah eine Antwort von unserem Expertenteam erhalten.

Allgemeine Informationen zu den Pflegegraden sowie den jeweiligen Leistungen haben wir Ihnen auf der Seite "Soziale Pflegeversicherung" zusammen gefasst.

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