Dr. Elmar Kaiser Demenz oder nicht? Die Liquordiagnostik klärt auf

Mitte der 1990er Jahre entdeckten Forscher, dass sich Alzheimer häufig im Nervenwasser nachweisen lässt. Diese Flüssigkeit, die wissenschaftlich Liquor heißt, umgibt Gehirn und Rückenmark. Bei Alzheimer-Patienten enthält sie Bestandteile der typischen Plaques und Abbauprodukte der Fibrillen, die sich früher erst nach dem Tod im Gehirn nachweisen ließen. Gegen anfängliche Widerstände hat sich die Liquordiagnostik heute etabliert. Ihr Vorteil besteht darin, dass eine wahrscheinliche Alzheimer-Erkrankung schon diagnostiziert werden kann, bevor entsprechende Veränderungen beispielsweise in einer Computertomografie oder einem MRT des Gehirns nachzuweisen sind.

Untersuchung des Nervenwassers

Um Liquor zu gewinnen, ist eine sogenannte Lumbalpunktion erforderlich. Dazu führt der Arzt eine dünne Nadel meist zwischen den vierten und fünften Lendenwirbelkörper ein. Eine lokale Betäubung ist nur selten nötig, denn die Methode ist in der Regel nicht besonders schmerzhaft. Das Rückenmark wird nicht beschädigt, da es oberhalb der Punktionsstelle endet. Menschen, die eine Abklärung einer möglichen Alzheimer-Demenz wünschen, können diese Untersuchung beispielsweise in der Gedächtnisambulanz universitärer Zentren durchführen lassen. Dazu ist der Befund eines aktuellen CT oder MRT des Gehirns mitzubringen. Außerdem dürfen sie zum Zeitpunkt der Punktion keine blutverdünnenden Medikamente einnehmen. Es sollten keine schwerwiegenden orthopädischen Schäden der Wirbelsäule vorliegen.

Im Labor

Nach Abnahme einiger Milliliter Liquor, der im natürlichen Zustand farblos und klar erscheint, ist die Lumbalpunktion bereits nach wenigen Minuten abgeschlossen. Meistens nimmt der Arzt zusätzlich noch etwas Blut ab. Patienten sollten sich im Anschluss ein wenig ausruhen und vor allem viel Wasser trinken. Das beugt Kopfschmerzen und Schwindel vor.
Gemäß aktuellen Empfehlungen sollte der Arzt die Liquorprobe zügig an ein Labor versenden. Dort messen die Experten unter anderem, wie viele Zellen der Liquor enthält und wie hoch die Eiweiß- und Zuckerkonzentrationen sind. Außerdem stellen sie fest, ob bestimmte Krankheitserreger im Liquor nachweisbar sind und ob die Blut-Liquor-Schranke gestört ist, die den Blutkreislauf vom Zentralen Nervensystem trennt. Der wichtigste Test widmet sich allerdings der Bestimmung der Neurodegenerationsmarker. Dazu zählen Abbauprodukte von Nervenzellen (Tau-Proteine) sowie Amyloid-beta. Letzteres ist ein Eiweiß, das bei der Entstehung der Alzheimer-Demenz eine wesentliche Rolle spielt. Die Konzentration der Neurodegenerationsmarker und deren Verhältnis zueinander kann Aufschluss über neurodegenerative Veränderungen im Gehirn geben.

Abgrenzung von anderen Krankheiten

Besonders für Patienten mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, die als Risikogruppe für die Entwicklung einer Demenzerkrankung angesehen werden kann, ist die Liquordiagnostik eine sinnvolle ergänzende diagnostische Methode. Auch wenn eine Demenzerkrankung bereits diagnostiziert wurde, kann sie nützlich sein – etwa zum Nachweis einer im Gegensatz zu Alzheimer-Demenzen meist rasch verlaufenden Creuzfeldt-Jakob-Erkrankung. Außerdem konnten aktuelle Studien zeigen, dass sich mittels der Liquordiagnostik auch Depressionen von Demenzerkrankungen besser abgrenzen lassen.