Martin Hamborg

Demenz vorbeugen: Mehr Gutes für den Körper tun  

Pünktlich zum Jahreswechsel nehmen sich viele Menschen noch einmal die Zeit, das letzte Jahr Revue passieren zu lassen und neue Vorsätze für das kommende Jahr zu setzen. Meist haben diese einen Bezug zu körperlicher Aktivität, Selbstfürsorge oder mehr Achtsamkeit. 

Etwas Gutes für den eigenen Körper zu tun, beeinflusst sowohl den Körper als auch den Geist und auch im Hinblick auf Demenz können wir schon im jungen Alter vieles tun, was das Risiko einer Demenz deutlich senken kann.

Es gibt kaum Zweifel, wie hoch die Gefahr für eine Demenz im hohen Alter ist – bei den über Neunzigjährigen liegt sie bei über 40 Prozent, also fast jede oder jeder Zweite. Aber es gibt Hoffnung, denn die prozentuale Zunahme sinkt stärker, als die Wissenschaft früher vorhergesagt hat – Vorbeugung oder Prävention wirkt.

Die Lancet-Kommission, eine Gruppe von Demenzforschern aus der ganzen Welt, hat nachgewiesen, dass wir es zum Teil in der Hand haben. Wir können das Risiko um fast die Hälfte verringern – 45 Prozent.

Schaubild mit Angabe der 14 verschiedenen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz.
© The Lancet (Livingston G, Huntley J, Liu KY, et al.)

In diesem Blogbeitrag möchte ich so einfach wie möglich in die schwierigen Zusammenhänge einführen. 

Das Bild aus der Studie zeigt: Der Schutz beginnt in der Kindheit mit einer guten Bildung und Ausbildung, die sich bis in das hohe Alter auswirkt: 5 Prozent klingt wenig, aber einer von 20 Menschen mit Demenz würde laut dieser Studie im Alter nicht erkranken!

Im Erwachsenenalter ist der Einfluss der Schwerhörigkeit schon lange bekannt – das Gehirn bekommt zu wenig Informationen, um die Aufmerksamkeit auf interessante oder herausfordernde Dinge zu richten. Aus guten Gründen gehört zum Beispiel ein Gehörschutz zum Arbeitsschutz und schon junge Menschen beachten dies in Diskotheken. Ist das Ohr erst geschädigt, kann das Risiko durch ein Hörgerät ausgeglichen werden.

Eine neue Erkenntnis ist, wie sehr die sogenannten „schlechten“ Blutfette – das LDL-Cholesterin - an der Entstehung einer Demenz beteiligt sind. Neben der rechtzeitigen medikamentösen Behandlung ist es die gesunde ausgewogene Ernährung, die auch vor Übergewicht und Diabetes schützt. Vielleicht müsste fast jeder siebte Mensch nicht mit einer Demenz leben, wenn sich zum Beispiel die Mittelmeer-Kost durchsetzen würde: Viel Gemüse, Obst, Fisch, ein wenig Fleisch.

Bei Boxern und Fußballspielern oder bei Unfällen kennen wir ein Risiko durch häufige kleine oder größere Schädigungen des Gehirns, mit 3 Prozent ist es so hoch wie das einer unbehandelten Depression. 

Doch nicht nur in jungen Jahren, sondern auch im Alter gibt es noch Handlungsmöglichkeiten: Besonders wichtig ist die Vermeidung von Einsamkeit und gute Luft in und außerhalb der Wohnung. 

13 Empfehlungen haben Ärzte aus den Ergebnissen abgeleitet:

  • Eine gute Bildung für Kinder und die Förderung in der Mitte des Lebens
  • Hörgeräte für jeden, der eines benötigt, und die Verringerung von Lärm
  • Wirksame Behandlung von Depressionen
  • Kopfschutz bei Kontaktsportarten und beim Fahrradfahren
  • Hilfen zum Rauchstopp
  • Vermeiden gefäßbedingter Risiken - darunter hohes Cholesterin, Diabetes, Adipositas und Bluthochdruck
  • Verringerung des Alkoholkonsums
  • Verbesserung der Luftqualität
  • Maßnahmen gegen den Sehverlust
  • Erhöhen von sozialen Kontakten

Wenn wir wissen was schadet, warum handeln wir noch nicht?

Die Betonung von Risiken hat Nebenwirkungen, manche erleben den ärztlichen Rat als Bevormundung, Einschränkung und Einmischung oder es werden die wissenschaftlichen Ergebnisse in Frage gestellt. Wer Aufhören will zu Rauchen hat einen hohen Aufwand zur Beendigung einer Verhaltenssucht für nur 1 Prozent weniger Risiko, oder? Denn das Rauchen erhöht das LDL-Cholesterin, Blutdruck, Blutzucker und andere Faktoren und zählt damit doppelt und dreifach in den Risiken. 

Dies wird schon in der WHO-Leitlinie aus dem Jahr 2019 zur Prävention von Demenz deutlich. Sie formuliert zwei starke Empfehlungen: Mehr bewegen und rauchfrei leben.

Hinzu kommen die medizinische Behandlung und Vorsorge, damit die oben genannten Risiken vermindert werden. Auch dazu liegen viele Studien vor.

Welche Wirkung hat geistige Aktivität, Musik, Tanzen oder sinnvoll erlebte Beschäftigung?

In den Medien wird aus guten Gründen darauf hingewiesen, dass das Gehirn – wie ein Muskel – gefordert werden sollte, damit es fit und leistungsfähig bleibt. 

Selbst bei Menschen mit Demenz erleben wir, wie positiv die Wirkung der Betreuung ist. Die Bundesregierung hat die Einstellung zusätzlicher Betreuungskräfte in früheren Pflegereformen geregelt.

Diese Erkenntnisse werden auch in den Empfehlungen der WHO als hilfreich gesehen, aber es fehlt die wissenschaftliche Bestätigung oder „Evidenz“, aus einem einfachen Grund: Es gibt zu wenig Forschung, denn diese wird kaum finanziert und es ist schwierig, den Einfluss des Lebensstils nach den gleichen strengen Maßstäben zu beweisen, wie Blutfette oder Blutdruck.

Aber es gibt diese offensichtlich wirksamen Maßnahmen und Erfahrungswissen und ich schule es seit Jahrzehnten. Irgendwann liegen vielleicht so viele Studien vor, dass auch die wissenschaftliche Weltgemeinschaft überzeugt ist.

Darf die Vorbeugung von Demenz „Spaß“ machen?

Aus der Psychologie wissen wir schon lange, dass die Änderungen hin zu einem gesunden und positiven Leben kaum durch Angst und Verbissenheit gelingt. Aber wenn wir nicht an den Verzicht denken, sondern an die Freiheit rauchfrei und ohne Abhängigkeit zu leben, wird es etwas einfacher.

Unser Gehirn ist so geschaltet, dass es aus Angst die Vermeidung und Flucht lernt, sich aber durch Begeisterung, Aha-Erlebnisse, Freude und Spaß entwickelt. 

Singen, Tanzen, Musizieren, Spielen, Lachen, eine neue Sprache für neue Urlaubswelten, heitere Gedächtnisübungen, Gespräche mit klugen Menschen, Freude an Sport und Bewegung, vielseitiges und gesundes Kochen, ein Ehrenamt oder andere sinnvoll erlebte Tätigkeiten machen Spaß und stehen für einen gesunden Lebensstil. 

Das alles ist keine Garantie, ohne Demenz alt zu werden. Ich habe Menschen mit Demenz kennengelernt, die alles gemacht haben, um einer Demenz vorzubeugen, und trotzdem erkrankt sind, aber ich kenne sehr viel mehr Menschen mit diesem Lebensstil, die ohne Demenz alt und uralt werden.

Besonders wichtig erscheint mir dabei Begeisterung und Sinn.

Und das gilt für jedes Alter!

 

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