Martin Hamborg Eingewöhnung im Heim – Wie gelingt der Übergang, was kann helfen?

Die Entscheidung für einen Umzug wird oft um so schwerer, je länger wir warten, wenn es in der Häuslichkeit nicht mehr geht. Dies ist ein Thema für viele Teilnehmende in unserem kostenfreien Ratgeberforum "Alltag, Pflege und Betreuung" des Wegweiser Demenz. 

Wie kann es gelingen, dass sich der Mensch mit Demenz so einlebt, dass niemand das Gefühl bekommt, versagt zu haben?

Die krankheitsbedingte Unruhe, die neue Umgebung, Unverständnis, Trauer, Überforderung und Konflikte können es einem Menschen mit Demenz schwer machen, sich in einer neuen „Heimat“ einzufinden – in ein Heim, eine WG oder ein Betreutes Wohnen.

Die Eingewöhnung ist eine Aufgabe der Einrichtung, es gibt immer ein Konzept dafür

Stationäre Einrichtungen müssen dem Medizinischen Dienst nachweisen, wie sie ihr Eingewöhnungskonzept umsetzen. Darin ist festgelegt, mit welchen Schritten das Heim dem Menschen das Ankommen erleichtert.

Wenn Angehörige in unserm Forum den Eindruck äußern, ihre Informationen, Angebote und Ideen zur Eingewöhnung würden nicht ernst genommen, weise ich darauf hin, dass das „gelingende Einleben“ ein jährlich überprüftes Qualitätsmerkmal ist und die Einrichtung gut beraten ist, konstruktiv mit Angehörigen zusammenzuarbeiten. 

Angehörige können Ideen einbringen, hier einige Tipps für ein gutes Gewissen

  1. Vertraute Gegenstände , mit positiven Erinnerungen aufgeladene (Erinnerungs-)stücke, Möbel oder Bilder helfen, sich in der neuen Wohnumgebung wohlzufühlen. Es ist fachlicher Standard, dass dann gegebenenfalls das vorhandene Mobiliar ausgeräumt wird
  2. Vertrauen ist das erste Ziel. Dazu braucht es Kontakte mit Menschen in der neuen Umgebung. Deshalb kann es gute Gründe geben, dass Zu- und Angehörige in den ersten Wochen nicht ins Heim kommen, wenn die noch so gut gemeinten Besuche den Menschen mit Demenz überfordern und von neuen Kontakten abhalten können.
  3. Das gemeinsame Kennenlernen des Heims ist oft wichtiger als ein schöner Ausflug. An- und Zugehörige können die Einrichtung gemeinsam in Spaziergängen erkunden und sollten diese nicht verlassen. Ein Mensch mit Demenz braucht Bewegung und Kontakte, dies stärkt die Dazugehörigkeit. Sie können Mitbewohner*innen, die zu Ihrem oder Ihrer Angehörigen „passen“, in gemeinsame Gespräche, Aktivitäten oder Spiele einbeziehen.
  4. Für den Menschen mit Demenz wächst das Vertrauen in die neue Heimat, wenn sich An- und Zugehörige mit der Einrichtung und mit der Entscheidung wohl fühlen. Dabei hilft es, wenn Sie andere Angehörige kennenlernen. So sind schon wertvolle Freundschaften entstanden und manche übernehmen die Aufgabe des oder der Heimfürsprecher*in.
  5. Dahinter steht der "Rat": Suchen Sie das gute Gewissen. Je mehr es Ihnen gelingt, Ihr schlechtes Gewissen loszulassen, je mehr Vertrauen Sie zum Heim gewinnen und je mehr Sie an der neuen Heimat Ihres Angehörigen Anteil nehmen, um so leichter wird es auch dem Menschen mit Demenz fallen.
  6. Vertrauen ist der Feind des schlechten Gewissens, aber jede unausgesprochene Beschwerde stärkt es. Wenn es zum Beispiel Schwierigkeiten mit der Wäsche gibt, formulieren Sie den Wunsch, dass Sie Vertrauen gewinnen möchten. Sie wollen die Zusammenhänge oder Abläufe verstehen, denn eine reibungslose Zusammenarbeit mit einer Wäscherei ist eine hohe logistische Leistung. Eine verständnissuchende Gesprächsführung wirkt wie eine Medizin, wenn sich jemand angegriffen fühlt.
  7. Dies gilt besonders dann, wenn Sie die Sorge haben, dass Ihre An- und Zugehörigen beim Heim wegen einer Beschwerde schlecht behandelt werden könnten. Bei jeder Form von Gewalt in der Pflege gibt es offiziellen Schutz. Wenn Sie im Gespräch mit der Leitung nicht weiterkommen, wird Sie die Heimaufsicht unterstützen, auch bei einer anonymen Beschwerde. Aber „eigentlich“ sollte Ihre Kritik selbstverständlich und willkommen sein, immerhin wird in den Einrichtungen ein Beschwerdemanagement erwartet und vom Medizinischen Dienst jährlich überprüft.
  8. Planen Sie den Abschied nach einem Besuch: Fragen Sie die Mitarbeitenden, wie Sie gemeinsam Probleme lösen oder vermeiden können. Dabei ist eine Notlüge das letzte Mittel, denn vielen fällt es schwer, mit gutem Gewissen zu lügen. Meist merkt es der Mensch mit Demenz, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber wenn Sie dieses letzte Mittel gebrauchen müssen, "notlügen" Sie bitte mit dem allerbesten Gewissen.

 

…. und wenn ein schlechtes Gewissen bleibt, wie stärken und begleiten sich die Aktiven im Forum gegenseitig? 

Manche Mitlesende schreiben mit diesem Thema ihren ersten eigenen Beitrag, um sich mit Menschen in ähnlicher Erfahrung auszutauschen, sich untereinander zu bestätigen und gemeinsam den Weg zu einem guten Gewissen zu suchen.

Sie leiden darunter, wenn sich die Eltern nicht einleben wollen oder können und folgenden Aussagen sind schmerzend: Es geht mir hier schlecht, hole mich nach Hause, sonst bist Du böse … gute Kinder tun alles für Ihre Eltern“ … „Ich will nicht mehr“… 

Manchmal stehen dahinter Probleme im Heim, Konflikte mit Mitbewohner*innen, die Angst, Bedürfnisse und Wünsche zu äußern oder anderen zur Last zu fallen. Dies gilt es professionell anzugehen.

Wenn wir die Unzufriedenheit als Zeichen der Trauer sehen, eröffnen sich Möglichkeiten

Starke Emotionen gehören zur sogenannten „Trauerarbeit“, die durch die Demenz noch stärker in die Wiederholung geht, als bei anderen Trauernden. Das Thema ist für den Menschen mit Demenz immer wieder neu. Deshalb können An- und Zugehörigen in einem Ritual die Antworten geben, die sich in den Gesprächen bewährt haben. 

Auch hier gilt die Regel: Je ruhiger Sie bleiben und je weniger Sie diskutieren, desto besser!

Sie wissen ja:  Menschen mit Demenz überschätzen ihre Fähigkeiten, sie haben das Gefühl in der Häuslichkeit gut zurecht zu kommen und es fehlt die Einsicht in die Risiken. Diesen Selbstschutz durch das Vergessen gilt es zu respektieren.

Tipps für die Zeit vor dem Umzug 

Für den Umzug und die Eingewöhnung ist ein "Masterplan" hilfreich, damit alles so reibungslos und gut wie möglich klappt.

  1. Nennen Sie einen gewichtigen Grund für den Umzug in jedem Gespräch, wenn die Entscheidung getroffen ist. Sie können sagen: "Du weißt ja, dass ... Du hast ja schon zugestimmt, dass ...".  Ein echter Grund kann auch sein, dass Sie es nicht mehr schaffen und Sie Ihren Angehörigen bitten, Ihnen zu helfen.
  2. Schwere Entscheidungen können durch von Autoritäten verantwortet oder getroffen werden: "Der Arzt hat das entschieden ... da können wir beide nichts mehr machen ... das ist traurig ..."
  3. Trauern Sie gemeinsam: Trauer ist bei einem Abschied aus einer vertrauten Wohnung ein Gefühl, das wir alle kennen. Wenn es Ihnen gelingt, die Diskussion auf die beidseitigen Gefühle zu lenken, muss ein nachvollziehbarer (trauertypischer) Ärger nicht in Aggression eskalieren.
  4. Finden Sie positive Kontakte in der neuen Wohnanlage schon bei der Besichtigung vor dem Einzug. Manchmal werden freundliche Personen erinnert, zum Beispiel "die nette Frau, mit der wir über unsere Reisen geredet haben" oder "das Haus mit den wunderschönen Rosen". Das neue Zuhause bekommt ein Gesicht.
  5. In vielen Wohnanlagen können Sie auch vor dem Einzug am Mittagessen oder an Veranstaltungen teilnehmen. Ziel bei beginnender Demenz ist es, Brücken zu bauen, um sich auf den neuen Lebensabschnitt zu freuen.
  6. Vermeiden Sie Diskussionen, wenn Einsicht nicht zu erwarten ist. Wenn Sie die Entscheidung getroffen haben, zwingt Sie niemand, ein Reizthema anzusprechen. Lenken Sie so oft es geht die Aufmerksamkeit auf ein sicheres Thema. Zeigen Sie, wie sehr Sie sich freuen (und Ihren Angehörigen mit Ihrer Freude anstecken).
  7. Und bedenken Sie: Trost geht immer und ist oft das was der Mensch mit Demenz wirklich braucht.

Manchmal wird das Leben im Heim wichtiger, als Ihr Besuch

Bei einer gelungenen Eingewöhnung ist es manchmal für Zu- und Angehörige völlig überraschend, wenn der Menschen mit Demenz nicht mehr klagt und den Besuch unerwartet früh beendet, weil es Termine im Heim gibt oder Mitbewohner scheinbar interessanter werden als die Kinder … 

 

Weitere Informationen beispielsweise für Finanzierung des Pflegeheims finden Sie auf der Seite "Andere Wohnformen" im Wegweiser Demenz.

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