Bärbel Schönhof Robert – ich konnte einfach nicht mehr

Robert war erschöpft und weinte. Martha war doch seine Frau, die er liebte. Und nun war ihm die Hand ausgerutscht. Die Angst in Marthas Augen hatte ihn zur Besinnung gebracht. Was hatte er getan?

Seit bei Martha die Demenz stetig fortschritt, gestaltete sich ihre Pflege zunehmend schwieriger. Sie verweigerte oft die Körperpflege und beschimpfte ihn. Robert hatte wie selbstverständlich die Pflege von Martha übernommen. Die Kinder waren schon aus dem Haus, hatten Beruf und Familie, konnten ihn deshalb nur stundenweise unterstützen.

Besonders das morgendliche Waschen wurde für Robert zunehmend zum Alptraum. Martha erkannte ihn oft morgens gar nicht, versuchte, sich gegen das Waschen zu wehren, obwohl Robert immer geduldig blieb. Sie beschimpfte ihn, fragte, was er denn von ihr wolle, sie sei eine verheiratete Frau, sie würde sich nicht vor ihm ausziehen. Sie warf zunehmend mit Gegenständen nach ihm, traf ihn auch mal mit der Seifendose am Kopf. Robert war verletzt, äußerlich wie auch tief in seinem Innersten. Und an diesem Morgen war die Situation eskaliert. Martha hatte ihn angespuckt. Da war ihm die Hand ausgerutscht. In Marthas Augen zeigte sich richtige Angst. Da war er aus dem Bad geflohen. Er weinte all die Tränen, die sich in ihm aufgestaut hatten. Robert traute sich nicht mehr in ihre Nähe. Er rief seine Tochter an, bat sie, die Mutter heute zu versorgen. Ihr schilderte er: „Ich konnte einfach nicht mehr!“
Roberts Ohrfeige stellt eine Körperverletzung dar. Strafbar ist sie dann, wenn Robert seine Frau vorsätzlich geschlagen hat. Robert hat seine Frau nicht schlagen wollen, die Situation hatte ihn überfordert und ist eskaliert. Das kann als fahrlässige Körperverletzung strafbar sein. Eine Strafverfolgung setzt voraus, dass die Sorgeberechtigten einen Strafantrag stellen oder die Staatsanwaltschaft für die Strafverfolgung ein besonderes öffentliches Interesse sieht. Sorgeberechtigt sind die Menschen, die die Vorsorgevollmacht oder rechtliche Betreuung innehaben. Das sind Robert und die Tochter. Das öffentliche Interesse ist dann gegeben, wenn die Tat besonders brutal war, die Täter besonders leichtfertig waren, eine erhebliche Verletzung entstanden wäre oder die Tat unter Alkoholeinfluss geschehen war. All dies konnte Robert verneinen. Er hoffte, dass Martha ihm diesen Vorfall verzeihen würde.
Doch was sollte Robert tun, um solche Ausraster künftig zu vermeiden? Er wollte seine Frau um nichts in der Welt noch einmal schlagen.

Seine Tochter übernahm übergangsweise das morgendliche Waschen von Martha. Sie hofften, dass Martha sich von einer weiblichen Person eher waschen lassen würde.

Robert bat als Marthas Bevollmächtigter ihren Hausarzt um Rat. Dieser sagte Robert, dass er zwar Medikamente verschreiben könne, die Martha sedieren würden, ihr auch die Angst nehmen könnten. Aber er würde davon abraten, da zur Verordnung keine medizinisch vertretbare Indikation gegeben sei. Auch hätten die Medikamente Nebenwirkungen, die eher schaden könnten. Robert wandte sich auf Rat des Arztes an eine Pflegeberatung. Die Pflegeberatung koordinierte die künftige Pflege für Martha. Ein Pflegedienst wurde mit dem morgendlichen Waschen beauftragt, wenn Marthas Tochter arbeiten ging. Es wurde ausdrücklich die Hilfe einer weiblichen Pflegekraft vereinbart. Robert und die Kinder teilten sich die restliche Zeit der Pflege so ein, dass Robert genügend Zeit für sich hatte.