Bärbel Schönhof Weglaufschutz in der häuslichen und stationären Pflege

Menschen mit Demenz sind oft unruhig. Vor allem die sogenannte Weglauftendenz erschwert Angehörigen und Pflegekräften die Betreuung. Zu ihnen gehört auch Frau Weber (Name und wesentliche Daten geändert), die ihren Ehemann seit drei Jahren zu Hause pflegt. Herr Weber verlässt oft in unbeobachteten Momenten das Haus und wurde schon einige Male von der Polizei zurückgebracht, weil er den Heimweg nicht mehr fand. Frau Weber verschließt deshalb die Haustür, wenn sie ihren Mann einmal allein lassen muss. Diese Lösung empfindet sie als höchst unbefriedigend.

Darüber hinaus machen sich Angehörige, die einen Menschen mit Demenz einsperren, unter Umständen der Freiheitsberaubung schuldig. Als Frau Weber von sogenannten „Weglaufschutzsystemen“ hörte, kam sie mit der Frage zu mir, was es damit auf sich habe.

Was ist ein Weglaufschutzsystem?

Weglaufschutzsysteme bestehen aus einem mobilen Funkchip und einem stationären Empfänger. Den Chip tragen Demenzkranke bei sich, beispielsweise in einem Armband, einer Kette oder als Einnäher in der Kleidung. Verlässt der oder die Betroffene einen bestimmten Bereich, reagiert der Empfänger und gibt Pflegekräften ein Signal. Zahlreiche stationäre Einrichtungen verwenden diese Systeme bereits. Ihr Einsatz in Krankenhäusern wird diskutiert.

Häuslicher Einsatz: Gerichtliche Genehmigung nötig

Frau Weber fragte mich, ob sie ein solches System nicht auch zu Hause nutzen könnte. Sie hatte offensichtlich davon gehört, dass in stationären Einrichtungen die Möglichkeit besteht, freiheitsentziehende Maßnahmen durch das Betreuungsgericht genehmigen zu lassen. Leider musste ich Frau Weber mitteilen, dass dies nicht so einfach auf zu Hause übertragbar sei. Die Möglichkeit besteht nur, wenn die Lebenssituation des Demenzkranken mit der in einem Pflegeheim vergleichbar ist. Das ist der Fall, wenn der oder die Demenzkranke nicht mit Angehörigen zusammenlebt und der Tagesablauf durch einen Pflegedienst vorgegeben ist, ähnlich wie in einem Pflegeheim. Dann besteht die Möglichkeit, eine freiheitsentziehende Maßnahme wie das Abschließen der Haustür durch ein Gericht genehmigen zu lassen. Das heißt für Frau Weber: Sie darf ein Weglaufschutzsystem nur verwenden, um ihren Mann wiederzufinden – aber nicht, um ihn am Verlassen des Hauses zu hindern.

Generell empfehle ich Angehörigen, frühzeitig mit ihren demenzkranken Familienmitgliedern über den möglichen Einsatz solcher Ortungssysteme zu sprechen – so lange diese noch einwilligungsfähig sind und einer solchen Maßnahme selbst zustimmen können.

Stationärer Einsatz: Juristische Grauzone

Auch Pflegeheime dürfen Weglaufschutzsysteme nicht ohne Weiteres verwenden. Einige Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass diese Systeme gegen die Menschenwürde verstoßen, weil der Bewohner beziehungsweise  Patient zum Objekt einer Überwachung gemacht werde. Andere Gerichte betrachten Weglaufschutzsysteme als freiheitsentziehende Maßnahmen und halten sie unter dieser Voraussetzung für genehmigungsfähig, aber auch genehmigungspflichtig. Einige wenige Gerichte entschieden, dass das System an sich noch keine freiheitsentziehende Maßnahme darstelle. Erst, wenn das Pflegepersonal den Betroffenen zurück ins Pflegeheim holen will, brauchen sie eine Genehmigung. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rechtsprechung rate ich Einrichtungen, vor Nutzung entsprechender Systeme, Kontakt zum örtlich zuständigen Betreuungsgericht aufzunehmen.