Jochen Gust Wenn Vertrautes fremd wird: das sind „Werkzeugstörungen“

Eine Demenz betrifft nicht nur das Gedächtnis, auch wenn dies häufig die erste Assoziation ist, die bei dem Begriff auftaucht. Betroffene und (pflegende) Angehörige bemerken im Alltag, dass bestimmte Handlungen plötzlich nicht mehr funktionieren: Die Gabel wird zweckentfremdet, vertraute Worte fehlen oder das Verstehen und Begleichen von Rechnungen bereiten Schwierigkeiten. Solche Veränderungen können auf sogenannte Werkzeugstörungen hinweisen – ein Begriff aus der Medizin, der beschreibt, wie zentrale Fähigkeiten zur Orientierung, Kommunikation und Handlung nachlassen.

Das Gehirn des Menschen ermöglicht uns vielfältige Fähigkeiten, über die man im "gesunden Alltag" nie nachdenkt. Es ermöglicht uns, Dinge zu benennen, zu erkennen, Handlungen zu planen oder Zahlen zu verarbeiten. Im Rahmen einer Demenz kann dieses System gestört werden – auch, wenn Sinnesorgane und Motorik noch funktionieren. Werkzeugstörungen sind also Funktionsverluste.

Ein Beispiel ist die sogenannte Apraxie. Dabei gelingt es dem Betroffenen nicht mehr, eine Bewegung zweckmäßig auszuführen, beispielsweise also die Zahnbürste richtig zu benutzen oder Kleidung in der gewohnten Reihenfolge anzuziehen. Die Bewegungsfähigkeit selbst ist nicht gestört, aber der „Plan“, wie etwas geht, fehlt oder ist falsch. Im Alltag kann das manchmal zu Verärgerung seitens der sorgenden Umgebung führen. Denn der Rückschluss, dass jemand offensichtlich körperlich zu etwas in der Lage ist und es daher können müsste, ist tief in uns verankert. 

Die Agnosie wiederum beschreibt die Unfähigkeit, Dinge trotz funktionierender Sinnesorgane richtig zu erkennen oder einzuordnen. Bei einer visuellen Agnosie wird zum Beispiel eine Fernbedienung zwar gesehen, aber nicht mehr als solche erkannt und kann somit auch nicht bestimmungsgemäß genutzt werden. 

Es gibt noch weitere Formen der Werkzeugstörungen – für Angehörige ist es wichtig zu wissen: Diese Veränderungen sind kein Ausdruck von Trotz, Absicht oder Bequemlichkeit. Sie entstehen durch die Schädigung bestimmter Hirnbereiche im Rahmen der Demenz. Wer das versteht, kann gelassener reagieren und die betroffene Person besser unterstützen.

Im Alltag hilft es: 

  • Handlungen in kleine Schritte aufzuteilen
  • Dinge gemeinsam zu tun
  • ruhig und einfach zu sprechen
  • darauf zu achten, dass Betroffene nicht durch zu viele Reize überfordert werden

Es geht nicht darum, alles perfekt zu machen sondern Sicherheit zu vermitteln und den Alltag für beide Seiten leichter zu gestalten.

Werkzeugstörungen gehören zu den häufig übersehenen Symptomen einer Demenz. Wenn vertraute Abläufe nicht mehr gelingen, ist das für Betroffene oft mit Scham und Verunsicherung verbunden. Sie könnten daher Wege suchen, diese Gefühle zu vermeiden oder Missgeschicke zu verdecken. Mit Geduld, Struktur und Verständnis können pflegende Angehörige einen großen Unterschied machen – für das Selbstwertgefühl der Betroffenen und für die eigene Entlastung. Auch der Austausch mit Anderen kann Entlastung bieten – nutzen Sie dafür unser kostenfreies und anonymes Forum im Wegweiser Demenz rund um den Alltag pflegender Angehöriger. 

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